Enjoy Sarajevo – die Stadt, die niemals aufgab!
Sarajevos Atmosphäre schwingt zwischen Orient und Okzident, mit Bewohnern, die ihre Lebensfreude gerne teilen. Zwischen Minaretten, Kirchtürmen, Basar und Habsburgerputz entwickelt Sarajevo eine besondere Anziehungskraft, zu der heute auch die lebendige Erinnerung an die Belagerung gehört. Die Stadt beeindruckt in jeder Hinsicht.

Zwischen Orient und Okzident
Der Sahat Kula Uhrturm, auch „Little Ben“ von Sarajevos genannt, muss vom Zeitwächter mehrmals pro Woche nach dem islamischen Mondkalender eingestellt werden, damit er den präzisen Sonnenuntergang und somit die korrekten Gebetszeiten anzeigt. Ein Brauch auf dem Balkan ist es, Teddybären (früher Tierköpfe) vor den Häusern aufzuhängen, um den bösen Blick abzuwehren.

Sarajevo liegt auf halbem Weg zwischen Wien und Istanbul – zwischen Mitteleuropa und dem Orient. Und tatsächlich wirkt auch das Stadtzentrum kulturell und historisch fast wie durch eine unsichtbare Linie geteilt:
Im Osten die osmanische Altstadt mit Basaren und Minaretten, mit dem Duft von Kaffee und Grillrauch. Im Westen die sogenannte "Österreicherstadt" mit Habsburger Stuckfassaden, der Herz-Jesu-Kathedrale und Wiener Cafés, die Torten servieren – entlang der Flanier- und Einkaufsmeile Ferhadija.
Die moderne Neustadt zieht sich westlich davon am breiten Hauptboulevard entlang, der im Bosnienkrieg als „Sniper Alley“ oder „Allee der Scharfschützen“ in die Geschichte einging. Dort liegt das spannende Historische Museum zur 'Belagerung Sarajevos', und beim Flughafen wurde der 'Tunnel of Hope' gegraben.
Unten: Der Habsburger geprägte Westen Sarajevos.
Das Viennese Café Sarajevo versprüht eine wunderbare Wiener Kaffeehaus-Atmosphäre. Eröffnet 1882 zur Zeit der Habsburgermonarchie, ist es eines der ältesten Kaffeehäuser Sarajevos.


Typisch für Sarajevo: In der Altstadt liegen alle großen Gotteshäuser – Synagoge, Moschee, orthodoxe und katholische Kirche oft nur wenige hundert Meter voneinander entfernt und zeugen von der interkulturellen Offenheit Sarajevos. Fotos unten: die alte Synagoge (Jüdisches Museum) und die orthodoxe Kirche.
Die osmanische Altstadt Bascarsija ist das Herz von Sarajevo

Wir stehen am Bascarsija Platz, dem Wohnzimmer der Stadt. Vor dem Sebilj-Brunnen streuen Leute Maiskörner aus und sofort flattern Tauben herbei. „In Sarajevo füttert man Tauben aus Dankbarkeit“, erfahren wir von Dennis, unserem Stadtführer. „Während der vierjährigen Belagerung war der Platz leer und die Tauben verschwunden. Als sie zurückkamen, wusste man, dass der Krieg vorbei ist.“
Vom Minarett ruft der Muezzin noch immer selbst und nicht aus dem Lautsprecher. Über allem liegt der Duft von Gegrilltem und frisch gebackenem Burek.


Die Gazi-Husrev-Beg-Moschee ist die größte Moschee des Landes und an die Neugier der Touristen gewöhnt. Besonders stimmungsvoll ist es im Hof, wenn nach Sonnenuntergang das Maghrib-Gebet beginnt. Dann kann man das lebhafte Kommen und Gehen der Familien beobachten. Zwischen den Säulen spielen die Kinder, während sich die Männer zur rituellen Waschung um den alten Brunnen versammeln. Das einzige Tier, das eine Moschee betreten darf, ist übrigens die Katze – sie gilt im Islam als rein.
- Das Innere der Gazi-Husrev-Beg-Moschee kann man außerhalb der Gebetszeiten (Eintritt) besichtigen. Kopftücher für die Frauen werden bereit gestellt. Moschee auf Google Maps.

Unser Stadtguide Dennis führt uns in sein Lieblingscafé – das Divan mit buntem orientalischem Flair. Es liegt versteckt in einem schattigen Innenhof einer Karawanserei aus dem 16. Jahrhundert.
In Sarajevo trinkt man Kaffee nicht einfach so. Es ist ein genussvolles und gesellschaftliches Ritual. Serviert wird der starke, schwarze Mokka in kleinen Kupferkännchen. Man lässt den Satz zu Boden sinken, nimmt ein Stück Zuckerwürfel auf die Zunge – und dann erst ein Schluck.

Im 15. Jahrhundert brachten osmanische Händler den Kaffee in die Stadt, seitdem ist er fest im Tagesrhythmus der Menschen verankert. In der Kovači-Straße oberhalb vom Bascarsija Platz reihen sich gleich mehrere charmante Cafés aneinander: bester Kaffee, hip & traditionell Ministry of Ćejf, der gemütliche Behut Coffee Shop, das Caffe Asik, im bunt-verspielten Teahouse Džirlo trinkt man Rosenwasser-Limonade.


Wer sich durch das süße, kunstvoll geschichtete Blätterteiggebäck Baklava probieren möchte, dem empfehle ich zwei Favoriten: den Baklava Shop Jasmin und das kleine, feine Baklava Dućan – süß, fettig, köstlich.




Essen mit lokalem Flair
In Sarajevos Altstadt hat das Essen und Trinken Tradition – Ćevapčići, Burek, Kaffee und Baklava genießt man an lebendigen, bodenständigen Orten.

Wer glaubt, dass Cevapcici überall gleich schmecken, wird hier eines Besseren belehrt. In Deutschland gelten sie als Balkan-Junk – selten frisch und Original zubereitet. Hier in den 'Ćevabdžinica' Restaurants bruzeln die Hackfleischröllchen (Rind oder Lamm) über dem Holzkohlegrill. Außen schön gebräunt und innen saftig, kommen sie in ein rundes Fladenbrot, das oft in Rinderbrühe getränkt ist. Dazu gibt es rohe Zwiebeln und manchmal auch etwas Kaymak Sauerrahm. Die Einheimischen diskutieren leidenschaftlich, wo es die besten gibt, und drei Namen fallen dabei fast immer: Željo, die legendäre Nummer eins mit mehreren Ablegern, dann Hodžić und gleich gegenüber Petica Ferhatović.
Burek macht glücklich.
Der Duft von frisch gebackenem Burek ist verlockend. In den traditionellen „Buregdžinicas” wird das herzhafte Blätterteiggebäck noch von Hand gemacht und mit Rindfleisch-, Käse-, Spinat- oder Kartoffelfüllungen in der Backglocke "Sač" in glühender Holzkohle gebacken. Außen knusprig, innen weich, dampft der Burek frisch aus dem Ofen. Obendrauf gibt es einen Klecks Kajmak Sauerrahm. Dazu trinkt man erfrischenden Ayran oder Joghurt. Burek geht eigentlich immer.
- Frisch aus dem Ofen wird Burek bei Buregdžinica Sač oder Buregdžinica Bosna nach Gewicht verkauft. In den echten Cevapcici- und Burek-Läden gibt es traditionell keinen Alkohol.



Ein Sarajevo-Klassiker: die herzhafte Hausmannskost der Aščinica. Das sind traditionelle Buffet-Lokale, die schmackhafte Gerichte wie Eintöpfe, gefülltes Gemüse oder Fleisch täglich frisch zubereiten. Sie sind vor allem bei Einheimischen beliebt, die hier preiswert essen oder ihr Essen mitnehmen. Besonders zu empfehlen ist die Aščinica ASDŽ in der Altstadt. Dort konnten wir „Bosanski Lonac”, das Nationalgericht von Bosnien und Herzegowina probieren, einen langsam geschmorten, geschichteten Fleisch-Gemüse-Eintopf.

Sarajevo – Bierstadt mit Geschichte
Wenn man die Sarajlije nach dem besten Bier des Landes fragt, sind sich alle einig: das Bier von Sarajevo. Die Brauerei "Sarajevska Pivara" wurde 1864 noch unter osmanischer Herrschaft gegründet und ist seitdem durchgehend in Betrieb. Unter der Brauerei sprudelt eine Quelle aus 300 Metern Tiefe. Während der Belagerung, als kaum mehr etwas funktionierte, war sie eine der wenigen zugänglichen Wasserquellen der Stadt.
Bier und Rakija werden überall auf dem Balkan gerne konsumiert, egal in welche Religion man hineingeboren wurde. Wein und Rakija waren schon vor der osmanischen Zeit in der Region verwurzelt, und das ist immer so geblieben.
Tipp: Neben der Sarajevo-Brauerei kann man das Bier im stimmungsvollen Brauhaus-Pub Pivnica HS frisch gezapft probieren. Das klassische Lagerbier Sarajevsko Pivo, vollmundiger und edler im Geschmack ist Sarajevsko Premium – unser Favorit. „Živjeli!“ (Prost!)

Die Kupferschmiedegasse Kazandžiluk mit ihren glänzenden Auslagen zählt zu den ältesten Straßen im Basarviertel. Dort hämmern die Kupferschmiede noch heute wie vor Jahrhunderten und gravieren Muster in Kaffeekännchen und Tassen. Ein kurioses Fundstück sind die Vasen aus alten Granathülsen aus dem Bosnienkrieg. Kauftipp: Wer echte Handarbeit möchte, sollte sich hier umschauen, andernorts wird oft industrielle Ware verkauft.



Sarajevo 1984 – Im Glanz der Winterspiele
Wer Olympische Spiele schon immer gern geschaut hat, sollte das Olympische Museum in Sarajevo nicht verpassen – es befindet sich in einer Villa am Hang oberhalb der Altstadt.
Alte Videos, schräge Klamotten und Nostalgie. Im Olympia-Museum von Sarajevo werden Erinnerungen, die lange her sind, wieder wach: Katarina Witt holt ihre erste Goldmedaille im Eiskunstlauf – und wird zum Weltstar. Jayne Torvill und Christopher Dean tanzen zum Boléro, erreichen dabei die höchstmögliche Punktzahl und schreiben mit ihrer Kür Geschichte.
An der Kasse gibt's T-Shirts mit dem "Sarajevo '84"-Logo. Einige junge Norweger sind so begeistert, dass sie sie dem Angestellten förmlich aus den Händen reißen. Die Eröffnungsfeier läuft in Endlosschleife: Fahnenträger in Schulterpolstern, Nationalteams in grellfarbenem Polyester, ein Laufsteg der Olympischen Republik. Ich finde, allein die Uniformen wären eine eigene Ausstellung wert. Unter Volksfeststimmung wurde die Flamme von 1.600 Fackelträgern quer durch ganz Jugoslawien getragen. Und als Jure Franko schließlich Silber im Riesenslalom holte – die erste olympische Medaille für Jugoslawien überhaupt – kannte die Begeisterung keine Grenzen. Es herrschte ein Gefühl von Gemeinschaft und Aufbruch. Keiner hätte gedacht, dass Sarajevo nur acht Jahre später vom Krieg getroffen wird.
Ein Überbleibsel jener Zeit steht noch heute am Trebević-Berg: die olympische Bobbahn. Im Krieg wurde sie von den bosnisch-serbischen Belagerern als Schützengraben und Artillerie-Stellung genutzt. Heute ist das Mahnmal überwuchert und mit Graffiti bedeckt und man kann es durchwandern.
- Olympisches Museum Sarajevo in der Villa Mandić, auf Google Maps.
TIPP zentrale Unterkunft in Sarajevo: Unser modernes Studio Apartmani 071 lag in einem alten Habsburgerhaus nahe dem Olympischen Museum, etwa zehn Gehminuten über Treppenwege in die Altstadt. Besonders praktisch war der dazugehörende, kostenlose Tiefgaragenplatz direkt gegenüber (problemlos für unseren VW-Bus). Buchbar über Booking.com*.
Mit der Seilbahn auf den Trebević – zurück über die alte Bobbahn

Eine Fahrt mit der Seilbahn auf den Trebević lohnt sich allein schon wegen der Aussicht auf Sarajevo.
Die Menschen in Sarajevo lieben ihre Seilbahn und die Zeit, die sie auf dem Trebević verbringen. Seit 1959 fuhr sie zum Hausberg, bis sie im Krieg zerstört wurde. Erst 25 Jahre später kehrte sie zurück. Möglich gemacht hat das der großzügige Gönner Edmond Offermann, ein Kernphysiker und Hedgefonds-Investor in den USA. Seine Frau Maja stammt aus Sarajevo und nach dem Krieg wollte er ihrer Heimatstadt etwas zurückgeben.

Nicht weit von der Aussichtsterrasse entfernt beginnt die alte Bobbahn, das einzige noch erhaltene Relikt der Olympischen Spiele ’84, das eine ungewöhnliche Wanderung ermöglicht. Wo früher der Feind lauerte, leuchten heute Graffiti. In einer Kurve treffen wir auf Sprayer, die gerade ein neues Bild anbringen. Hinter dem Zieleinlauf folgen wir den Schildern in Richtung Altstadt – vorbei an unzähligen Friedhöfen und durch steile Gassen. Es ist Sonntag, und überall liegt Grillduft in der Luft. Sarajevos rote Ziegeldächer und Minarette rücken näher, und nach gut einer Stunde sind wir wieder am Rathaus angekommen.


Auf dem Trebević Hausberg – gegrillt wird überall, auch zwischen Ruinen.



Minarette, romanische Türme und orthodoxe Kuppeln in einem Panorama: Ein Stadtbild wie kein zweites.

Sarajevo und der Krieg: Drei bemerkenswerte Museen
Mein Tipp! Galerija 11/07/95. Am 11. Juli 1995 begann das Srebrenica-Massaker, das größte Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg: Über 8.000 bosniakische Männer und Jungen – fast alle muslimische Zivilisten – wurden systematisch ermordet. Die Galerija 11/07/95 in Sarajevo dokumentiert das Verbrechen intensiv: Bilder, Tonaufnahmen und Videos – teils schwer erträglich – vermitteln den Hergang der Tragödie. Der künstlerische Teil zeigt starke Fotografien von Fotoreportern. Ein Ort, der unter die Haut geht und im Gedächtnis bleibt.

Kreativ während der Belagerung: Coca-Cola war 1984 offizieller Sponsor der Olympischen Winterspiele in Sarajevo und warb damals mit dem ikonischen rot-weißen „Sarajevo“-Schriftzug im Coca-Cola-Stil. Das Künstlerkollektiv Trio griff dieses Motiv später auf und wandelte es um in „Enjoy Sarajevo 1993/94“– eine bittere, ironische Anspielung auf das Wegsehen der Welt während der Belagerung der Stadt.

Am 17. Juli 1995 schreit diese Frau aus Srebrenica in einem Flüchtlingslager einen UN-Soldaten an. Nur wenige Tage zuvor – am verhängnisvollen 11. Juli 1995 – hatten serbische Truppen die unter UN-Schutz stehende Stadt Srebrenica eingenommen. In den darauffolgenden Tagen wurden 8.000 muslimische Männer und Jungen systematisch ermordet. Ihre Leichen wurden später in Massengräbern entdeckt. (Foto: Ron Haviv).

Das Graffiti „Bosnian Girl“ stammt von einem UN-Soldaten. „UN – United Nothing“ zeigt, wie die Bewohner die UN-Truppe wahrnahmen, die sie hilflos eingekesselt zurückließ. Fotografiert von Tarik Samarah.



Ab Sarajevo: Srebrenica Genocide Study Tour* (Getyourguide, auf Englisch) in Kleingruppe . Für alle, die mehr über den Völkermord von Srebrenica erfahren möchten. Maximal acht Teilnehmende, kostenlose Stornierung bis 24 Stunden vorab.
War Childhood Museum. Das 'Museum der Kriegskindheit' zeigt den Bosnienkrieg aus der Perspektive der Kinder. Persönliche Gegenstände – wie Stofftiere, Kleidung, Briefe oder Tagebücher – erzählen vom Alltag im Krieg und von dem, was ihnen damals Halt gab. Das kleine, kreativ kuratierte Museum wurde mit dem 'European Museum Prize' ausgezeichnet.
Anschauen! Ausstellung "Das belagerte Sarajevo"
'Historisches Museum von Bosnien und Herzegowina' klingt nicht besonders spannend – ist es aber.
Wer Sarajevo besucht, stößt unweigerlich auf Spuren des Kriegs – und fragt sich: Wie war das Leben damals? Die Ausstellung über die Belagerung Sarajevos (1992–1996) zeigt, wie hart das Überleben unter den extremen Bedingungen war. Das Museum liegt direkt an der einstigen "Sniper Alley".

Das Haus hat etwas Authentisches und Unverfälschtes. Es ist sichtbar gezeichnet von Kriegsschäden und Verfall – der Beton bröckelt, die Fassade trägt Einschusslöcher. Im Inneren wirkt die Ausstellung manchmal improvisiert und zusammengewürfelt, was die Nähe und Echtheit noch verstärkt. Im Foyer empfängt uns ein großes, abstraktes Buntglasbild von Vojo Dimitrijević. 1963 zur glanzvollen Eröffnung installiert, zeigt es heute Lücken. Diese Mischung aus Verfall, Improvisation und Geschichte empfanden wir als besonders rührend.

Der Bosnienkrieg war ein ethnisch-nationalistischer Konflikt, der nach dem Zerfall Jugoslawiens ausbrach. Im April 1992 begann die längste Belagerung einer Hauptstadt in der Neuzeit: Sarajevo war fast vier Jahre lang eingeschlossen, während die UN-Friedenstruppen kaum eingriffen. Über 11.000 Menschen starben darunter 1.601 Kinder; mehr als 60.000 wurden verletzt – bei einer Stadt mit nur 350.000 Einwohnern.

Tag für Tag lag Sarajevo unter unablässigem Beschuss: Von den umliegenden Hügeln regneten Granaten herab, während Scharfschützen aus den Hochhäusern gezielt auf Passanten und Fahrzeuge feuerten. Vor allem auf die „Zmaja od Bosne“, jene Hauptstraße, die als „Sniper Alley“ traurige Berühmtheit erlangte und die wichtigste Verbindung zwischen Flughafen und Stadtzentrum darstellte. Unten ein Modell der Sniper Alley.
Eine Aktion, mit der man weltweit Aufmerksamkeit erregen konnte, war die 'Miss Sarajevo-Wahl'. Als die schönsten Frauen Sarajevos das Banner „Don’t let them kill us” in die Kamera hielten, ging das Bild um die Welt. Erst vor ein paar Jahren erschien ein Mann mit dem Original-Banner im Museum. Er hatte die Aktion damals mitorganisiert und das Banner auf dem Dachboden gefunden.


Persönliche Geschichten, Überlebensstrategien und die Kreativität der Bürger Sarajevos zeigen, wie sie den Alltag meisterten. Um den Hunger zu überstehen, legten sie auf Spielplätzen und Grünflächen zwischen den Plattenbauten Gemüsebeete an oder bauten improvisierte Öfen aus einem Eimer oder Ölkanister.
- Historisches Museum von Bosnien und Herzegowina Homepage. Von der Altstadt einfach mit den Öffentlichen zu erreichen. Auf Google Maps.
Eine andere Ausstellung im Historischem Museum behandelt die Geschichte Jugoslawiens und der Partisanen: Als Partisanenkommandant führte Tito im Zweiten Weltkrieg den Widerstand an und gründete das sozialistische Jugoslawien, das er mit autoritärer Hand und politischem Geschick jahrzehntelang zusammenhielt. Nach seinem Tod 1980 begann der Vielvölkerstaat auseinanderzubrechen.
Tipp: Jugonostalgie im Cafe Tito. Direkt hinter dem Museum versprüht der Ort Retro-Charme mit Relikten, alten Fotos und Militärfahrzeugen im Garten. Auch Locals trinken hier gern ihr Bier. Abends gibt’s gelegentlich Partys oder Konzerte.




Lesetipps für Sarajevo
Wer Sarajevo wirklich verstehen will, sollte eines dieser Bücher lesen.
Nenad Veličković – Nachtgäste (deutsche Neuauflage 2025) Amazon*
Im belagerten Sarajevo versammelt sich im Keller des Nationalmuseums eine schräge Notgemeinschaft. Beobachtet von der 18-jährigen Maja zeigt der Roman satirisch-düster das absurde Nebeneinander von Überlebenskampf, menschlichen Abgründen und Alltag – humorvoll und scharfsinnig erzählt.
Tijan Sila: Radio Sarajevo
Ein wilder, schonungsloser Roman über eine Kindheit im belagerten Sarajevo. Zwischen Granaten, Hip-Hop und Trotz – kraftvoll, witzig, erschütternd. (Ingeborg-Bachmann-Preis). Amazon*
Miljenko Jergović – Das verrückte Herz (2024, Sarajevo Marlboro remastered)
Kurze, dichte Geschichten über den Kriegsalltag in Sarajevo. Jergović, ein Großmeister des Erzählens, zeigt voller Menschlichkeit Hoffnung, Verzweiflung und stillen Heldenmut im Ausnahmezustand. Amazon*
Steven Galloway: Der Cellist von Sarajevo (internationale Bestseller) Amazon*
Der Roman verwebt die Geschichten dreier Zivilisten, inspiriert vom Mut des Cellisten, versuchen sie, ihre Würde und Hoffnung in einer zerstörten Stadt zu bewahren. Feinsinnige und mit kraftvoll gezeichneten Charakteren.
Zlata Filipović – Zlatas Tagebuch – Ich bin ein Mädchen aus Sarajevo
Tagebuchnotizen eines jungen Mädchens aus dem belagerten Sarajevo – erinnert an Anne Frank – bewegend und authentisch, in über 30 Sprachen übersetzt. Amazon*
Von der 'Sniper Alley' zum 'Sarajevo Tunnel'
Das 'Holiday Inn' – an der Frontlinie der Berichterstattung.
Um Bilder und Berichte aus der eingeschlossenen Stadt in die Welt zu tragen, waren unerschrockene Reporter nötig. Sie versammelten sich im gelbe Holiday Inn Sarajevo, das an der berüchtigten „Sniper Alley” lag und zu einem ikonischen Ort wurde. Das Hotel war der wichtigste Stützpunkt für ausländische Kriegsberichterstatter und Kamerateams. Fast alle großen Nachrichtenagenturen hatten sich dort einquartiert. Man nahm sich ein Zimmer nach hinten raus und berichtete Tag für Tag aus der Todeszone.
Das legendäre Hotel & die Twin Towers an der "Sniper Alley".
Heute heißt es 'Hotel Holiday' (neuer Besitzer). Von außen unscheinbar – doch drinnen betritt man eine 80er-Jahre-Zeitkapsel – groß und absurd schön. Ein Blick hinein lohnt sich. (Hotel Holiday, 8km zum Flughafen, Zimmer auf Booking.com).

Unter den Kriegsreportern im Holiday Inn war die deutsche Fotografin Anja Niedringhaus. Für ihre sensiblen und eindringlichen Bildern über den Alltag unter Beschuss erhielt sie den Pulitzer-Preis. Der Film „Die Bilderkriegerin“ erzählt ihre Lebensgeschichte (auf Prime Video).
Vor dem Holiday Hotel und an vielen Orten in Sarajevo erinnern die „Sarajevo Roses“ mit rotem Harz ausgefüllte Granateinschläge an die Zivilisten, die dort ums Leben kamen. Noch heute sind die mit Ziegeln geflickten Granaten-Einschläge an den Häusern sichtbar.
Weitere Filmtipps: Sarajevo & Bosnienkrieg
Welcome to Sarajevo – (1997, Regie: Michael Winterbottom). Ein britischer Kriegsreporter erlebt die Belagerung Sarajevos –
eindringlich erzählt, mit dokumentarischem Stil und basierend auf wahren Begebenheiten.
No Man’s Land – (2001, Regie: Danis Tanović). Satirisch-tragisch zeigt der Oscar-prämierte Film die Absurditäten und Tragik des Bosnienkriegs an einer absurden Frontsituation.
Grbavica – Esmas Geheimnis (2006, Regie: Jasmila Žbanić). Ein preisgekröntes Drama über die Nachwirkungen des Krieges in einer
Mutter-Tochter-Beziehung – leise, bewegend, stark. Gewinner der Berlinale.
Quo Vadis, Aida? – (2020, Regie: Jasmila Žbanić). Ein hochgelobtes Drama über das Massaker von Srebrenica – Oscar-nominiert und
intensiv.
Lebensrettender Sarajevo-Tunnel

Da Sarajevo eingekesselt war, blieb nur die UN-Luftbrücke, allerdings hielten sich die bosnisch-serbischen Belagerer kaum an Regeln: Selbst Hilfsflugzeuge wurden beschossen, sogar ein italienisches Transportflugzeug abgeschossen. Die Piloten gingen im Sturzflug runter – eine riskante Taktik, die als „Sarajevo-Landung“ bekannt wurde. Was ankam, reichte nicht, und selbst das zu verteilen war gefährlich.
Als die Versorgungslage katastrophal war, wagten die Eingeschlossenen eine Verzweiflungstat: sie gruben einen Tunnel unter der Start- und Landebahn. 800 Meter lang, nur einen Meter breit und 1,60 Meter hoch verlief er vom Keller der Familie Kolar bis hinter die Belagerungslinien. Nacht für Nacht wurden etwa 20 Tonnen Hilfsgüter hindurchgeschleust: Nahrungsmittel, Medikamente, Treibstoff, Zigaretten und Verwundete. Der Tunnel wurde zur Lebensader der Stadt.
- In dem Haus der Familie Kolar in Flughafennähe befindet sich heute das Tunnel-Museum. Ein Teil des Tunnels ist erhalten und begehbar. Museum Sarajevo „Tunnel of Hope“ (Eintritt in bar und lokaler Währung), Infos Google Maps.
- Da die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln eher umständlich ist, empfiehlt sich ohnehin eine Führung – zum Beispiel mit Sarajevo Insider, deren Tunnel of Hope Tour* inklusive Transfer auch über GetYourGuide angeboten wird. Gerade die Verbindung von Fakten und Schicksalen machte die Führung so eindrucksvoll.


Empfehlenswerte Stadtführung:
Mit "Sarajevo Insider" erlebten wir zwei spannende und hochqualitative Touren: einen Rundgang durch Sarajevo und den Tunnel der Hoffnung. Unser Guide sprach sehr gutes Englisch, vermittelte fundiertes Wissen über die Belagerung und führte uns lebendig durch die bosnische Geschichte. Besonders beeindruckend: das vielfältige Stadtleben und die religiöse Vielfalt. Eine Tour, die den Blick erweitert. Es gibt viele thematische Touren, z. B. mit Food-Tastings. Beliebt sind „Zeiten des Unglücks“ oder Mostar mit Wasserfällen. Alle Touren von 'Sarajevo Insider' sind auch auf GetYourGuide* verfügbar.
UNSERE GUIDES IM GEPÄCK
Noch ein paar traditionelle Restaurants & besondere Tipps:
- Dveri: Bunt, familiär, sehr gemütlich – interessante Karte, toll, das hausgemachte Brot und Gulasch.
- Kibe Mahala: Das wohl beste traditionelle Restaurant in Sarajevo – mit Panoramablick über die Stadt.
- Karuzo: Gute vegetarische Küche in urigem Ambiente.
- Nanina Kuhinja: Leckeres, lokales Essen, stimmungsvoll in der Basar-Gasse sitzen.
- Zlatna Ribica: 'Goldfisch Bar' für einen Absacker. Touristen lieben die schrullige Vintage-Bar.





EXTRA TIPP – eine Stunde von Sarajevo entfernt, auf dem Weg nach Mostar
Titos Bunker – eine unterirdische Welt für den Ernstfall


Titos Bunker, eine der geheimsten Bunkeranlagen Europas, war bis in die 1990er Jahre hinein ein streng gehütetes Staatsgeheimnis. Erst nach dem Zerfall Jugoslawiens wurde bekannt, dass hier ein unterirdisches Regierungsquartier existierte, das dazu diente, Staatschef Tito und 350 seiner Vertrauten im Falle eines Atomangriffs Schutz zu bieten. Der Bau des Bunkers dauerte von 1953 bis 1979 – ganze 26 Jahre. Die Baukosten lagen bei ungefähr 4,5 Milliarden US-Dollar.
270 Meter tief in den Fels gehauen, umfasst die Anlage eine Fläche, die etwa so groß wie ein Fußballfeld ist. Sie war so konstruiert, dass sie einer Atombombe mit der doppelten Sprengkraft von Hiroshima standhalten konnte. Die Anlage war vollständig autark und verfügte über eigene Stromgeneratoren, Lüftungsanlagen, eine Wasserversorgung und eine Kläranlage, die das Abwasser reinigte, bevor es in die Neretva geleitet wurde. Alles war auf einen monatelangen Aufenthalt ohne Kontakt zur Außenwelt ausgelegt. Zu sehen sind auch Titos Privatgemächer, Konferenzräume und die Kommunikationszentrale mit originaler Technik aus der Zeit des Kalten Kriegs. Der Bau war so geheim, dass die Arbeiter mit verbundenen Augen hingebracht wurden. Für Fans von Jugoslawien, Architektur und dem Kalten Krieg ist dies ein faszinierender Ort.
- Titos Bunker ist nur mit Ausweis, Voranmeldung und Führung zugänglich.
- Ticketabholung bei Travel Konjic (Rafting Center, siehe Google Maps). Der Bunker liegt 4 km südlicher am Fluss (begrenzte Parkplätze, besser früher kommen und Wochenenden meiden).
Text: Edel Seebauer | Fotograf: Jürgen Mahler | (5 Stockfotos depositphotos.de)
Wenn der Bericht gefallen hat, freue ich mich über einen Eintrag im Gästebuch.