Schlüterhütte – Pole-Position in den Dolomiten

Die Dolomiten, UNESCO-Weltnaturerbe, mit ihren spektakulär steil aufragenden, bleichen Felsformationen, zählen zu den schönsten Bergen der Welt. Wir können dem nicht widersprechen. Im Naturpark Puez-Geisler erleben wir ihre bewegende Schönheit gleich komprimiert: Dunkle Wälder, saftiggrüne Almwiesen, ausgedehnte Hochebenen, aus Schutthalten jäh emporsteigende mächtige Felswände, die ihre spitzen Zähne zeigen – eine bizarre Felssilhouette steht uns gegenüber.
Der abrupte Wechsel zwischen schroffen weißen Felsen und sanften grünen Almen zieht wohl Jeden in seinen Bann, wie die chinesische Großfamilie, die uns auf einer Wanderung entgegenstolpert. Willig und entschlossen, die Geislerspitzen nicht nur vom Talboden aus zu betrachten, werden jung und alt für das beste Bild immer weiter vorangetrieben.
Eigentlich sollten die Dolomiten Saussurite heißen. Der französische Geologe Dolomieus reiste um 1790 zu den “Monti Pallidi”, den bleichen Bergen der Südalpen, um festzustellen, dass es sich hier nicht wie vermutet um Kalkstein, sondern um ein neues Gestein handelt – dem Dolomit, nach dem auch die ganze Gebirgsgruppe ihren Namen erhielt. Dolomieus verstarb noch bevor er dem Gestein den Namen seines Lehrer und Mont-Blanc-Besteiger De Saussure, geben konnte.

In Südtirol Bergwandern bei den Geisslerspitzen

Wir haben Glück und bekommen kurzfristig noch ein Zweibett-Zimmer von Donnerstag bis Samstag (die Hütte liegt auf dem Fernwanderweg München-Venedig, wo die Gruppen eine Nacht einlegen). Von München aus, in gut drei Stunden Autofahrt zu erreichen über die Brennerautobahn (Ausfahrt Brixen-Zona Industriale), durch das malerische Villnöss Tal hinauf zum (kostenpflichtigen) Parkplatz Zanser Alm. Ausführliche Homepage des Villnösser Tals.
1. Wanderung – Herrlicher Panorama Aufstieg zur Schlüterhütte
Vom Parkplatz an der Zanser Alm dauert der kürzeste Aufstieg zur Schlüterhütte knapp 2 Stunden. Viel besser! Wir wählen den weit reizvolleren Aufstieg, der uns in ca. 3 Stunden direkt am Fuße der Geisslerspitzen entlang über das Kreuzjoch zur Berghütte führt. Am Kreuzjoch lädt die Holzbank untern Jesuskreuz zur Rast ein, hier genießen wir nicht nur Speck und Schüttelbrot, sondern auch den grandiosen Ausblick nach Südwesten auf das Bilderbuch-Panorama der Geissler-Gruppe und nach Südosten zur Puez-Gruppe. Beim Weiterwandern über die Medalges Alm eröffnen sich herrliche Blicke über das Gadertal (Val Badia) hinaus auf die Gebirgsketten des Naturparks Fanes-Sennes-Prags.


Die Schlüterhütte – Vorzeigehütte und ideales Basislager für Tagestouren
Die Schlüterhütte (2306m) kommt in Sicht, malerisch eingebettet, liegt sie auf einem grünen Sattel zwischen Peitlerkofel und Geisslerspitzen. Die Aussicht grandios, Wanderer sonnen sich auf der Wiese oder sitzen auf der Terrasse. Der Hüttenwirt zimmert nebenan gerade einen Holztisch, der 100 Jahre sicher halten wird.
Die Schlüterhütte wurde 1898 vom Dresdner Kommerzienrat Franz Schlüter erbaut und von den Italienern Rifugio Genova getauft. Trotz ihrer Größe strahlt sie eine heimelige Hütten-Atmosphäre aus, beim Betreten riecht es überall angenehm nach Holz! Unser für eine Berghütte geräumiges Doppelzimmer hat Ausblick auf die Geisslerspitzen. Auffallend und sehr angenehm: die Hütte ist picobello sauber und super in Schuss gehalten, was man nicht von allen Hütten behaupten kann. Auf beiden Etagen gibt es einen Waschraum und eine Dusche, WCs ganz unten und im 1. Stock, die ruhigsten Zimmer im obersten 2. Stock.
Die Gaststube ist urgemütlich und hell und die Wirtsleut’ sehr freundlich. Das Essen lecker und bodenständig, richtig gut war das saure Rinderfleisch, das in Balsamico, Olivenöl und Brühe mariniert und kalt serviert wird. Zum Frühstück empfehle ich die sehr guten Rühreier und den Cappuccino (günstig) aus der Espressomaschine, statt dem abgepackten Basic Frühstück mit Filterkaffee.
Die Schlüterhütte bietet 90 Schlafplätze, rustikale Gästezimmer oder Bettenlager, geöffnet von Juni bis Oktober, Telefon +39 0472 670072. Ideal auch für Mountainbiker. Noch ein Pluspunkt, es gibt W-Lan.




Unbedingt machen – Auf den Hausberg der Schlüterhütte
Zur schönen Aussicht. Der kurze Aufstieg auf den 'Zendleser Kofel', den Hausberg der Schlüterhütte lohnt sich für den großartigen Ausblick. Vor dem Abendessen steigen wir in einer 1/4 Stunde auf – aus der Vogelperspektive blickt man auf die Schlüterhütte und den Geisler-Gebirgsstock. Ein schöner Platz zum Verweilen.

2. Wanderung Schlüterhütte – Günther Messner-Steig



Bei den Kletterpassagen haben wir keine Fotos geschossen, hier zum Video zum Günther Messner-Steig
Es ist schönes und stabiles Wetter vorausgesagt und wir wagen uns an den anspruchsvollenGünther-Messner-Steig, benannt nach dem am Nanga Parbat 1970 verstorbenen Bruder von Reinhold Messner. Ohne Klettersteig-Set unterwegs, verlangt uns der Weg höchste Konzentration ab, entschädigt uns aber mit herrlichen Ausblicken auf die Geisslergruppe.
Wir empfehlen, den Steig von der Schlüterhütte gegen den Uhrzeigersinn zu gehen, um mit frischen Kräften die anspruchsvollen, seilgesicherten Passagen zuerst zu bewältigen bevor es im letzten Drittel der gut 7-stündigen Wanderung über Almwiesen wieder 600 Höhenmeter zur Schlüterhütte (Rifugio Genova) hinauf geht. Jeweils 1100 Höhenmeter Ab- und Aufstieg, nur bei trockener Wetterlage zu empfehlen.
- Eine Rast legen wir in der kleinen einladenden Kaserill Alm ein, die am Aufstieg zur Schlüterhütte liegt und gut gemachte Südtiroler Gerichte serviert.
- Ein anderer Tipp für gute Südtiroler Schmackerl ist die Gampen Alm, etwa eine ½ Stunde unterhalb der Schlüterhütte.
Abendstimmung vor unserer Hütte

3. Wanderung Schlüterhütte – Adolf-Munkel-Weg – Zanser Alm
Bei der Rückkehr zum Wanderparkplatz Zanser Alm bietet sich die Wanderung über den Adolf-Munkel-Weg an mit einer neuen Perspektive auf die Geisslerspitzen. Zunächst geht's wieder über das Kreuzjoch zurück bis zum Ausgangspunkt des Adolf-Munkel-Wegs. Direkt am Fuße der Geisslerspitzen wandern wir im leichten Auf und Ab zwischen Wald und Fels durch eine Art Märchenwald mit Lichtungen, die immer wieder den Blick auf die gewaltigen Riesen frei geben – heute leider immer wieder im Nebel verschwindend. Für Fotos war es dann doch zu neblig...

Aus dem Wald heraus schreiten wir über frisch gemähte Wiesen der Gschnagenhardtalm entgegen für einen Buchweizenkuchen und Cappuccino (alle Speisen sind gut hier). Kurz nach der Alm nicht die Forststrasse gehen, sondern in den ausgeschilderten Pfad rechts abbiegen durch den schattigen Wald zurück zum Wanderparkplatz.
Alle Villnösser Almen auch mit Möglichkeiten zum Übernachten.

Weitere Wanderungen von der Schlüterhütte
-
Wem der Messner-Steig zu anspruchsvoll ist, der kann alternativ den unteren Panorama Weg 32A Oberer Herrensteig und zurück den Unterer Herrensteig 32 nehmen.
- Eine schöne Wanderung führt zum Peitlerkofel, wo die letzten Höhenmeter zum Gipfel per Klettersteig zu bezwingen sind (viel los, beliebt bei Eltern mit Kindern). Auch könnte man den Peitlerkofel umrunden über die satten Peitlerwiesen mit vielfältigen Möglichkeiten zur Einkehr – eine einfachere Wanderung.
- Unsere Tischnachbarn empfehlen noch die Route 33 bis zur Wasserscharte und zurück.
- Alle Wanderungen können eingegeben werden auf Trekking Südtirol. Auf dieser interaktiven Webseite kann man Touren eingeben oder eigene Tourenpunkte setzen, die Karte mit Informationen, wie Dauer, Höhenmeter druckt man sich dann aus.
- Wander-Touren im Villnösstal / Überblick
- Unsere Wanderkarte im Gepäck. KOMPASS Karte Villnösstal. Für alle Wander- und Radtouren. Schmutz und Wasser erprobt, hält sie einiges aus. Ein Beiheft gibt auch Infos über die Hütten, Touren und sehenswerte Orte.
- Zweitagestouren in Südtirol. Die schönsten Bergwanderungen mit einer Hüttenübernachtung. Amazon. 30 interessante Wochenendtouren. Am 1. Tag steht der Aufstieg zur Hütte (plus kürzere Tour von dort). Am 2. Tag begeht man die Rückkehr ins Tal über eine längere Wanderung oder Gipfeltour. Mit Wanderkarte, allen wichtigen Infos und Tourenbeschreibung. Technisch meist unschwierig, für durchschnittliche Kondition. Darunter auch die Schlüterhütte mit der Variante als Rundwanderung um den Peitlerkofel. Amazon
- Messner Mountain Museum. Sechs einzigartige Bergwelt-Museen ließ der aus Villnöss stammende Bergsteiger Reinhold Messner in den Dolomiten erbauen. Alle anders und alle ein Erlebnis. Das kompakte Büchlein enthält allen Besucherinfos (Amazon). Bei Bozen liegt das MMM FIRMIAN.
- Südtirol vom Michael Müller Verlag ist der ideale Reiseführer für alle, die es ins schöne Südtirol zieht. Über den Münchner Autor kann man sagen, "der kennt sich aus". Alles handfeste Infos mit vielen Tipps zu Hotels, Restaurants und Sehenswürdigkeiten. Auch seine schönsten Wander- & Radtouren stellt er darin vor. Amazon mit Blick ins Buch.

Zum Lesen: "Gesessen ist man nur beim Essen"
Vom harten Alltag der Kriegs- und Nachkriegszeit erzählen 23 Villnösser von einer Zeit, als der Speck noch versteckt werden mußte. Das Vorwort stammt vom berühmtesten Villnösser: Reinhold Messner. Ein rares Buch Amazon.
Zum Nachschauen – das Wetter in Südtirol
Die genaueste Wettervorhersage für die Berge und ganz Südtirol liefert die lokale Wetterstation in Bozen. Mehr als 3 Tage im voraus kann das Bergwetter i.d. Regel nicht genau vorhergesagt werden:
Tipp Wanderproviant

Eine schöne Entdeckung machen wir im kleinen St. Magdalena am Ende des Villnösser Tals. Im ausgeschilderten kleinen Lebensmittelmarkt im Ort finden wir einen Bergbauernspeck von heimischen Säuen, der uns später beim Vesper am Berg ins Schwelgen bringen wird. St. Magdalena ist auch bekannt für sein alljährliches Speckfest (Anfang Oktober), bei dem man nicht nur den herrlichen lokalen Speck kosten kann – für den die Bauern wenig Rauch, viel Bergluft und Wacholderzweige einsetzen – sondern auch Lammprodukte vom Villnösser Brillenschaf. Zu Speck, Lammwurzen und Bergkäse kaufen wir das knusprige, würzige Schüttelbrot, auch dieses weit köstlicher als die Supermarkt-Ware, noch von Hand geschüttelt und im braunen Papier verpackt.
Ein paar Euros mehr für den echten heimischen Speck zu investieren lohnt sich, denn der allgegenwärtige „Südtiroler Speck“ ist heute eine Massenware und das Schwein nicht aus Südtirol, nur der Räucherprozess findet hier statt. 75 Prozent des Schweinefleisches für die Speckproduktion stammen aus Deutschland, der Rest aus Holland, Dänemark und Spanien. Nach dem kleinen, feinen Südtiroler Anteil muss man schon suchen.
Text & Fotos: Jürgen Mahler
Wenn Euch der Bericht gefallen hat, freue ich mich über einen Eintrag ins Gästebuch.